1 Jahr Angriffskrieg auf Ukraine
„Ohne Aufarbeitung der Vergangenheit, gibt es keine Zukunft“, Iwan Agrusow, russischer Exilant zu Stalin-Zeiten, Gründer der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte
Vor genau 75 Jahren forcierte der menschliche Abgrund, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auftat, die Ratifizierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Vor genau einem Jahr wurde die Welt von Putins Russland über Nacht in die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zurückkatapultiert.
Millionenfacher Granatbeschuss – Seit 365 Tagen lässt Putin die ukrainische Erde beben
Derzeit werden 20 000 russische Granaten täglich auf die Ukraine abgefeuert, so das ukrainische Verteidigungsministerium, zu Beginn des Krieges seien es mehr als doppelt so viele gewesen.
Sechsstellige Zahlen für Tote und Verletzte
Die Schätzungen der Vereinten Nationen von toten und verletzen Soldaten (auf beiden Seiten) gehen in die Hunderttausende. Die der Zivilisten in die Zehntausende. Darunter über Tausend Kinder.
Zwangsdeportation und Kinderverschleppung
Schätzungen zufolge wurden über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer, vor allem aus der Ostukraine, nach Russland verschleppt, darunter bis zu 300 000 Kinder, die per neuem russischem Adoptionsgesetz schnell russischen Eltern zugeführt werden können.
Größte Flüchtlings- und humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg
Mit fast 8 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, zu 90% Frauen und Kinder, die ins Ausland geflohen sind und ca. 6 Millionen Binnenflüchtlingen, konstatieren die Vereinten Nationen die größte Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg.
17,6 Millionen Menschen sind nach Angaben der UN in der Ukraine aktuell dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Aus Tik-Tok wird War-Tok
Noch kurz vor Kriegsbeginn hieß es in einem IGFM-Artikel: „Ein Einmarsch in die Ukraine, … würde Bilder in die Welt setzen, die niemand auch nur anzudenken vermag…“
Diese Bilder sind heute längst tägliche Realität. Zerbombte, in Schutt und Asche gelegte Städte und Dörfer, zu Tode gefolterte Menschen, mit Leichen gepflasterte Straßen, wehklagende alte Menschen und schluchzende Kinder.
Im Zeitalter der Social Media werden wir mit Nachrichten und Bildern aus dem Kriegsgebiet überflutet, aus „Tik-Tok“ wurde in der Ukraine eine Art „War-Tok“, das jeden von uns per Handy zu jeder Zeit live an die Front bis hinein in die Schützengräben blicken lässt.
Russlands heiliger Krieg, Mordgelüste gegen Annalena Baerbock, „biblisch gerechtfertigte Atombombe“ für die „satanische“ EU und NATO
Seit der Machtübernahme Putins vor 23 Jahren wurde das Land, das sich 1991 von der Sowjetdiktatur befreit hat, wieder schrittweise in eine mafiöse Diktatur zurückgeführt. Heute sind ausnahmslos alle regierungskritischen Medien, Vereine und Organisationen verboten, viele ihrer Vertreter befinden sich hinter Gittern oder im Exil.
In den Staatsmedien arbeiten Personen wie der bekannte Fernsehmoderator Wladimir Solowjew, der nicht nur ganze Städte wie Charkiw und Kiew „vom Erdboden tilgen will“, sondern auch den Krieg gegen die NATO und den Westen als heilig erklärt und Atomschläge für biblisch gerechtfertigt hält. Solowjew, der den deutschen Bundeskanzler mit Hitler vergleicht und konstatiert, dass es Stalins Fehler war, Deutschland existieren zu lassen.
Auch hohe Politiker werden nicht unterbrochen, wenn sie sich im Fernsehen darüber aufregen, warum die deutsche Außenministerin, als sie in Charkiw war, nicht von einem Scharfschützen erschossen worden sei.
Der für seine Gräueltaten bekannte Präsident der islamistischen russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, nimmt mit seiner aus mehreren Tausend Mann bestehenden berüchtigten paramilitärischen Söldnertruppe, den „Kadyrowzi“, selbst aktiv am Kriegsgeschehen teil, hat sogar drei seiner minderjährigen Söhne in den Krieg geschickt. Während in Putins Russland die Homoehe verfassungsrechtlich verboten wurde, darf Kadyrow in seiner Teilrepublik der Polygamie gar mit Minderjährigen frönen und sie offiziell einfordern. Kadyrow möchte öffentlich die Ukraine niederbrennen und fordert dazu auf, nach der Ukraine Polen einzunehmen und im Weiteren den Kampf gegen den „Satanismus“ in Europa fortzusetzen.
Wie die ebenfalls für ihre Gräueltaten bekannte private Söldnergruppe „Wagner“ arbeiten sie sich an der Front, gerade auch derzeit in den Kämpfen um Bachmut, in der „Wellentaktik“ voran, in der die Soldaten praktisch als Kanonenfutter eingesetzt werden.
IGFM im Kriegsgebiet – Zeit zu überleben
„Wir haben keine Zeit für Gespräche, die nichts bringen“, so der ukrainische Präsident Selensky schon im Sommer 2022 und immer wieder „wir haben keine Zeit für Verhandlungen, es ist Zeit zu überleben“.
Mit Hilfe der Vereinten Nationen hat die IGFM-Ukraine ein Netzwerk zur Verteilung humanitärer Hilfe geschaffen, auf das heute Tausende besonders Hilfsbedürftiger wie Behinderte, Alte, Kranke und Kinder angewiesen sind.
Das IGFM-Team kämpft sich täglich zwischen Minenfeldern und Bombardierungen hindurch bis in kleinste Dörfer, die nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegen und konnte so bereits humanitäre Hilfe (Wasser, Lebensmittel, Hygieneartikel und Medikamente) für weit über eine Million Euro dort abliefern, wo andere nicht hinkommen. Sie geben diesen Menschen Zuversicht, dieses Trauma zu überleben und wiederum geben diese Menschen ihnen die Kraft zu überleben.
Der ukrainische Motor schnurrt
Das ukrainische Volk ist zusammengerückt wie nie zuvor in seiner Geschichte, es fügt sich in höchst bewundernswerter Weise zu einem kraftvollen innovativen Motor im täglichen Überlebenskampf zusammen. Ein Kampf für die eigene Identität, für die ukrainische Nation, aber auch ein Kampf für die europäische Wertegemeinschaft, für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit und Freiheit.
Ukraine als Spielball ausgespielt
Und „während Stalin und Hitler gleichzeitig an der Macht waren, starben mehr Menschen in der Ukraine als irgendwo sonst … in Europa oder auf der Welt“, so konstatiert Timothy Snyder in seinem unikalen historischen Werk „Bloodlands“.
Der imperiale Anspruch Russlands auf die Ukraine reicht weit in die Geschichte zurück, schon im 19. Jhd wurden Ukrainer verfolgt, ihre Sprache, Literatur und Kultur verboten. So entwickelte sich damals Galizien, das östlichste Kronland der Habsburger Monarchie mit der Hauptstadt Lemberg (Lwiw) zur Fluchtburg für ukrainische Nationaldenker.
Doch während sich nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg die heutigen europäischen Nationalstaaten aufstellten, war dies der Ukraine nicht vergönnt. Vor diesem Hintergrund war die Ukraine immer eine Art Spielball zwischen West und Ost.
Abgesehen von einer klaren moralischen Verantwortung gegenüber der Ukraine, muss sich Europa heute fragen, welche mittelbare Bedeutung dieser Krieg für die EU hat. Russland an sich ist schon mit Abstand das größte Land der Welt. Die gesamte EU passt gleich mehrmals hinein. Deutschland fast 50 mal. So betrachtet, bildet die EU nur einen kleinen westlichen, vergleichsweise ressourcenarmen Zipfel des eurasischen Kontinents.
Mit der Einnahme der Ukraine, des größten Landes in Europa und Belarus, das Putin ohnehin mit Lukaschenko „in der Tasche“ hat, mit einer drohenden Invasion des „kleinen Moldaus“, wird dieser Zipfel noch kleiner.
Zudem zählen China, Iran, Brasilien und viele andere zu einer Art Verbündetem … und nicht zuletzt wissen wir seit Trump, dass auch Amerika für die EU kein ewiger Fels in der Brandung ist.
Die EU steht vor ihrer größten Herausforderung
Während die Ukraine im täglichen Überlebenskampf zu einer innovativen Einheit für europäische Werte verschmolzen ist, so sitzt der EU die Pistole (noch) nicht direkt auf der Brust und setzt sie sich aus 27 Mitgliedsstaaten zusammen. Darunter Ungarn, dessen Bevölkerung zu 90 Prozent politische Neutralität möchte und dessen Präsident die Ukraine als „Niemandsland wie Afghanistan“ bezeichnet sowie einer westeuropäischen Bevölkerung, die zunehmend Waffenlieferungen ablehnt, sofortige Friedensverhandlungen mit Putin fordert oder schlichtweg „mit diesem Krieg nichts zu tun haben will“.
Dennoch hat die EU ein erstaunliches gemeinsames Zeitenwendemanöver ausgeführt.
Doch wie geht es weiter nach einem Jahr und ohne ein Kriegsende in Sicht?
Zweifelsfrei steht die EU mit England vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte, aber auch ihrer Zukunft.
Die Ukraine muss nach Ansicht der IGFM weiterhin mit allen Mitteln unterstützt werden:
„Die Freiheit Europas wird heute von Ukrainerinnen und Ukrainern verteidigt.“
Die IGFM erhebt daher folgende Forderungen
An die EU:
Eine stringente einheitliche Linie der Unterstützung der Ukraine von allen Mitgliedstaaten;
Eine einheitliche Verurteilung Russlands als Aggressor;
Förderung der Arbeit zur Dokumentation von Kriegsverbrechen sowie Einrichtung eines Kriegsverbrechertribunals;
Unterstützung bei der Traumaverarbeitung, insbesondere für Folteropfer und Kinder;
Fortführung der Sanktionen sowie strengere Kontrolle der zahlreichen Umgehungen und Verstöße der Sanktionen;
Verwendung der ca. 350 Mrd. Euro durch bisherige Sanktionen eingefrorener Geldmittel für den Wiederaufbau der Ukraine, sofortiges Anlegen der Mittel;
Förderung von Aufklärung und Information über die Bedeutung des Krieges für die EU Gesellschaften;
Förderung der Aufnahmeverteilung- und Aufenthaltsbedingungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge.
An die russische Regierung:
Sofortiger Rückzug der russischen Besatzungstruppen, Söldner und für den Krieg entlassene Schwerverbrecher, aus der gesamten Ukraine;
Sofortige Einstellung des Raketenbeschusses der zivilen Infrastruktur, insbesondere von Schulen, Krankenhäusern und Verteilungspunkten für humanitäre Hilfe;
Sofortige Beendigung der Massen- Deportation und -Verschleppung ukrainischer Bürger und Kinder in der Ost-Ukraine sowie deren Rückführung.
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