In dem Brief unserer exilbelarusischen Partnerorganisation „Unser Haus/Nasch Dom“  beschreibt die bekannte Vorsitzende Olga Karatsch wie viel mehr die humanitäre Hilfe der IGFM für sie und die ukrainisch-belarusische Exilgemeinschaft in Litauen bedeutet als nur die Verteilung von Hilfgütern: Sie bieten den Flüchtlingen einen Anlaufpunkt, hier können nicht nur Dinge erhalten, die sie benötigen, sondern auch sich auszutauschen, ihr Leid teilen, und viel wichtiger noch – auch selbst anpacken, berufliche Erfahrungen sammeln, Kraft schöpfen und wieder Fuß fassen:

Sehen Sie auch ein aktuelles kurzes Dankesvideo auf unserem Youtube Kanal:

Hier der Brief  von Olga Karatsch an die IGFM:

Wie die humanitäre Hilfe der IGFM das Leben ukrainischer und belarusischer Flüchtlinge verändert

Gerade erreichte und wieder ein großer Hilfsgütertransport  von unserer Partnerorganisation, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte/IGFM aus Deutschland. Die humanitäre Unterstützung ist bei der IGFM von jeher fester Bestandteil der Menschenrechtsarbeit.

Nach den Ereignissen von 2020 in Belarus arbeitet die IGFM aktiv mit dem belarusischen Zentrum für zivile Initiativen „Unser Haus (Nasch Dom)“ in Vilnius (Litauen) zusammen, um belarusische politische Flüchtlinge und nach Kriegsbeginn in der Ukraine ukrainische Kriegsflüchtlinge zu unterstützen.

Während der Zeit dieser Zusammenarbeit sammelte und lieferte die IGFM (Arbeitsgruppe Wittlich unter Leitung der IGFM Ehrenvorsitzenden Katrin Bornmüller) insgesamt 75 Tonnen humanitäre Fracht.

Für uns war es von strategischer Bedeutung, dass Belarusen und Ukrainer, die vor Repressionen und Krieg nach Litauen fliehen mussten, Freunde sind und sich gegenseitig helfen. Zunächst war die belarusische Gemeinschaft um diese Hilfslieferungen herum zusammengekommen und hatte sich aufgebaut, und im März schloss sich ihr auch die ukrainische Gemeinschaft an. Bis heute haben wir nicht nur einen Selbsthilfegruppen-Chat und einen Chat des Lagers für humanitäre Hilfe von „Unser Haus“ mit 576 ukrainischen und belarusischen Teilnehmern, sondern auch einen separaten Chat der „Unser Haus“-Ehrenamtlichen mit 46 Teilnehmern, die die gesamte Arbeit einschließlich der Sortierung organisieren und für eine gerechte Verteilung sorgen.

Ich freue mich sehr darüber, dass sich aus diesen Hunderten von Menschen, denen wir geholfen haben, eine Gruppe von ehrenamtlichen Koordinatoren gebildet hat, und heute  nicht nur „Unser Haus“ alleine die gesamte Hilfe bearbeitet, sondern jetzt  diese Aufgabe von 46 Menschen aus der Ukraine und Belarusen ehrenamtlich übernommen wird.

Als der erste große Hilfslaster kam, war alles sehr chaotisch organisiert, wir haben den LKW ca. 7 Stunden lang entladen, trotz der riesigen Anzahl von Beteiligten war es schwer zu verstehen, wie man alles am besten verteilt, es gab viele Streitigkeiten und manchmal sogar Beleidigungen.

Menschen, die sehen, dass ihnen geholfen wird und sie mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden, wurden inspiriert und engagierten sich selbst im Organisationsprozess.

Heute weiß ich, dass wo immer ich bin,  jederzeit, wenn ein LKW ankommt, alles gut organisiert ist und richtig verteilt wird. Das Entladen des letzten LKWs dauerte nur zwei Stunden, obwohl die Anzahl der Personen die gleiche war wie beim ersten LKW: Die Leute wussten bereits, was sie zu tun hatten und wie alles organisiert werden sollte.

Das ist meiner Meinung nach ein tolles Ergebnis.

Die Zahl der Freiwilligen von belarusischen und ukrainischen Flüchtlingen, die den Lastwagen freiwillig entladen, nimmt nicht ab, sondern sie wächst. Dies ist ein wichtiger Indikator dafür, dass Menschen nicht nur einfach die Hilfe nutzen und denken, dass ihnen jeder helfen sollte und muss, sondern dass sie bereit sind, etwas für sich und andere zu geben und zu tun. Es ist wichtig dieses Bedürfnis der Menschen zu fördern.

Ich bin froh, dass die humanitäre Versorgung der IGFM und diese LKWs zu einem Indikator dafür geworden sind, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass die Menschen etwas für sich und andere tun und uns nicht als eine Art Servicepersonal für Flüchtlinge sehen (das war meine Befürchtung vor der Ankunft des ersten Lkw).

Ich bin froh, dass es nicht so ist; ich sehe Menschen, die sich verbinden und Freunde werden, nachdem sie beim Entladen und Sortieren von Hilfsgütern zusammengearbeitet haben.

Es ist wichtig, dass Menschen Verantwortung übernehmen.

Ihre humanitäre Hilfe wird ein Grund dafür sein, dass diese Menschen hier ihre Führungsqualitäten entwickeln. Die hier erworbenen Fähigkeiten in der Organisation von Prozessen in der humanitären Hilfe, helfen ihnen zukünftig auch bei der Lösung der Probleme der hiesigen Exil-Gemeinschaften von Belarusen und Ukrainern.

Ich schätze die humanitären Hilfslieferungen der IGFM und Ihre Unterstützung sehr: Das alles hilft uns sehr.

Wir bewahren Menschen so gut wir können vor Depressionen und Verzweiflung. Die Lage der belarusischen und ukrainischen Flüchtlinge hier ist verzweifelt. Es gibt viele schreckliche Tragödien, und es ist so wichtig, dass ein Mensch mit seiner Trauer nicht allein gelassen wird. Leider gibt es viele schreckliche Situationen, und die Tatsache, dass wir zusammenarbeiten, uns sehen, ist der einfachste Weg, um zu bemerken, dass etwas mit einer Person nicht stimmt, auch wenn sie darüber schweigt.

Oft kommen Menschen, um Kleidung zu holen und miteinander zu reden, ihre Erfahrungen auszutauschen und auch um einfach einmal zusammen „zu weinen“. So ist unser Bereich der Humanitären Hilfe zu einer Art psychologischer Nothilfe für Menschen in Krisen geworden. Es ist schlimm, dass wir keine professionellen Psychologen haben, aber es ist gut, dass die Menschen uns so sehr vertrauen, dass sie zu uns kommen, um ihren Schmerz zu teilen.

Leider wurde die Hauptstadt Vilnius am 3. Juni 2022 für ukrainische Flüchtlinge geschlossen: Ihre Zahl ist riesig, und die Stadt kann sie einfach nicht mehr aufnehmen. Jetzt werden sie nach Kaunas oder Alytus geschickt, was nicht sehr gut ist, da es für sie schwieriger sein wird, nach Vilnius zu kommen, um humanitäre Hilfe zu erhalten. Außerdem bedeutet dies, dass ihre Chancen auf Registrierung geringer sind, da es schon Probleme mit den sich bereits in Vilnius befindlichen Ukrainern gibt, die Infrastruktur kann einfach nicht mithalten. In einer solchen Situation fühlen wir uns besonders verantwortlich dafür, sicherzustellen, dass ukrainische Flüchtlinge alle Hilfe und Unterstützung erhalten, die wir bieten können.

Als wir vor etwa 2 Jahren zum ersten Mal unser Lager für humanitäre Hilfe eröffneten, wurde es täglich von 2-4 Personen besucht, die Kleidung nahmen und gingen. Heute ist der Menschenstrom riesig, manche kommen sogar nachts oder früh morgens. Oft verwechseln sie uns mit einer Regierungsorganisation, da unser Lager größer und besser ist als das Lager der Migrationsbehörde von Vilnius. Heute kommen jeden Tag mindestens 50-60 Leute ins Büro, und darüber können wir uns nur freuen.

Wir möchten der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) noch einmal für ihre Hilfe danken, dafür dass Sie es uns ermöglichen, anderen Menschen zu helfen. Wir sehen, wie der Strom von Menschen wächst und sie alle benötigen Hilfe.

Vielen Dank, dass Sie uns helfen und wir so gemeinsam andere Menschen unter solch schwierigen Umständen unterstützen.

Olga Karatsch, „Unser Haus/Nasch Dom“

1. Vorsitzende