Es besteht die Gefahr, dass das belarussische Thema endgültig vom Radar verschwindet, da der Westen seine eigenen aktuellen Nachrichten hat: Wahlen in den USA, Coronavirus, lokale Proteste in Polen und andere.

UNGETÜNCHTE MAUERN– Hilfsappelle aus Belarus. So einfach können auch Sie etwas tun!

Verschwindet Belarus von Radar? In- und ausländische Medien

IGFM, November 2020 – Es besteht die Gefahr, dass das belarussische Thema endgültig vom Radar verschwindet, da der Westen seine eigenen aktuellen Nachrichten hat: Wahlen in den USA, Coronavirus, lokale Proteste in Polen und andere. Außerdem wurden ausländische Journalisten aus Weißrussland ausgewiesen und ihrer Akkreditierung beraubt. Wer wird jetzt von vor Ort berichten?

Es gibt 8 TV-Kanäle im Land, alle in Staatsbesitz. Im August wurde der Zugang zu mehr als 70 beliebten belarussischen Internetseiten gesperrt. Bis zum heutigen Tag wurden sie nicht wieder aufgemacht und nicht jeder hat ein VPN (Virtual Private Network) oder die Leute wissen einfach nicht, wie man es benutzt. Daher beziehen wir unsere Informationen aus den sozialen Netzwerken. Die untere Ebene des Internets steht nicht so unter der autoritären Kontrolle, ist zugleich viel effizienter und der Zugang zu diesen Kanälen wird zum Großteil nicht blockiert. Der Telegram-Kanal NEXTA (Anmerk. der Übersetzerin/AdÜ: NEXTA gegründet von Stepan Putila, einem 22jährigen im polnischen Exil lebenden Oppositions-Blogger) hat ein größeres Publikum als alle staatlichen und privaten Medien zusammen!

Aussterbende Papiertiger mit Rückgrat – private Zeitungen in Not

Gerne möchte ich Ihr Augenmerk auch einmal auf die Nöte der privaten Zeitungen richten. Schauen Sie sich bspw.  die neuesten Ausgaben der Brester Zeitung (Brestskaja Gaseta) genau an:

https://1drv.ms/u/s!Aqf-Bv9xauUcyAI8O36MOls1NNh8?e=QqGmuK

Ich möchte Sie herzlich bitten, die private „Brestskaja Gaseta“ zu unterstützen: Sie berichten über das, worüber die staatlichen Medien nicht schreiben (Proteste, Mord an Schutow, andere Repressionen), sie schreiben Briefe an politische Gefangene, wenn möglich, abonnieren sie für diese die Zeitung auf eigene Kosten). Zum Beispiel musste ein Journalist der staatlichen Zeitung „Sovetskaja Belorussia“ im August aus Protest zurücktreten, da er nicht über den Mord an Taraikowskij berichten durfte

[https://ru.wikipedia.org/wiki/Советская_Белоруссия_(газета)].

Maria Kolesnikowa als Vampir karikiert

Im Fernsehen, auf der Website der belarussischen Telegraphenagentur „Sovetskaya Belorussia“ (auch bekannt als „SB. Belarus Heute/Segodnja“), wird nicht über die Proteste und Repressionen berichtet, die Demonstranten werden verunglimpft, die „Polizei“ wird weiß getüncht. Ich kann es jetzt nicht so einfach wieder finden, aber auf Twitter habe ich ein Foto auf der Seite der Zeitung „SB. Belarus Heute“ aus der Freitagausgabe vor eineinhalb Wochen gesehen. Es war eine Verleumdung von Maria Kolesnikowa durch den Journalisten der Zeitung (Oleg, ich erinnere mich nicht an den Nachnamen) und eine halbseitige Karikatur ihres Gesichts als Vampir.

Sie können die private „Brestkaja Gaseta“ auch unterstützen, indem Sie sie auf deren Facebook-Seite liken: https://www.facebook.com/brestgazeta/

Inhaftierung  junger Sprachlehrerin und Terrorisierung einer alten Dame mit Blumen in der Hand

Утром 27 октября защита Марины Глазовой обжаловала в областном суде арест девушки как меру пресечения. Заседание было закрытым. Жалобу оставили без удовлетворения. Марина остается под стражей.

Gepostet von „Брестская газета“ am Dienstag, 27. Oktober 2020

https://www.facebook.com/402041849852670/posts/3712226655500823/?d=n
Unter obigen Links schreibt die Zeitung über eine in Brest lebende Marina, 25 Jahre alt, eine Englisch- und Polnisch-Lehrerin, die seit über einem Monat inhaftiert ist. Ich war betroffen. So eine kluge junge Frau! Dann schrieben sie in der Zeitung über sie (Foto oben auf der ersten Seite, Bericht auf der zweiten). Sie baten ihr Briefe zu schreiben, um sie zu unterstützen. Ich habe meinen Brief an sie heute abgeschickt.

In derselben letzten Ausgabe befindet sich auf der Titelseite das Foto einer Rentnerin, die misshandelt wurde. Sie erhielt eine 15tägige Haftstrafe für ihren friedlichen Protest mit Blumen in der Hand. Nachdem sie diese abgesessen hatte, gab es ein zweites Verfahren, in dem sie eine Geldstrafe erhielt. Als sie das Gerichtsgebäude verließ, wurde sie erneut auf offener Straße verhaftet. Eine ältere Dame wird terrorisiert.

Eilprozesse gegen Presseleute

Auch auf den Seiten der Zeitung: Fotos und Berichte über die eigenen Pressefotografen. Am Sonntagnachmittag berichteten sie über die Protestmärsche in Brest und trugen „Presse“-Abzeichen, sie hatten eine vom Chefredakteur unterzeichnete redaktionelle Aufgabe, besaßen alle Dokumente. Sie wurden 3 Tage lang festgenommen. Dann, einen Tag nach der Freilassung, gab es einen Eilprozess und sie erhielten weitere 15 Tage.

Die Tatsachen, dass die „Brestskaja Gaseta“ eine staatliche Registrierung besitzt, die Korrespondenten alle Dokumente in ihren Händen hatten und diese vor Gericht vorgelegt wurden, wurden nicht berücksichtigt.

Lokale Handelskette Euroopt, verlängerter Arm Lukaschenkos

Im September weigerte sich die größte lokale Handelskette, Euroopt, die Brestskaja Gaseta zu verkaufen, und ihre Auflage ging von 5300 auf 5000 Exemplare pro Woche zurück.

Entlassung von einem Dutzend Hochschulrektoren

Es gibt auch Berichte darüber, dass der Rektor der staatlichen Technischen Hochschule in Brest gekündigt wurde, dafür, dass er seine inhaftierten Studenten unterstützte. An seine Stelle wurde ein Schützling aus Minsk entsendet. Es gibt ungefähr 50 Universitäten in Belarus, 40 öffentliche und 10 private (private Universitäten sind klein, sie haben nur sehr wenige Studenten). Alle ihre Rektoren werden vom Präsidenten ernannt. Seit Ende August 2020 wurden bereits an rund einem Dutzend Universitäten unerwünschte Rektoren entfernt.

Repressionen gegen Intellektuelle und Zwangsexmatrikulation Hunderter Studenten

Letzte Woche begannen auf Befehl von Lukaschenko Repressionen gegen Künstler (sogar sehr Angesehene: https://be.wikipedia.org/wiki/Катэгорыя:Рэпрэсаваныя_рэжымам_Лукашэнкі), Ärzte, Lehrer, Studenten und andere.

Studenten werden aus politischen Gründen exmatrikuliert, es gibt bereits Hunderte von ihnen im ganzen Land, so auch an der besagten Technischen Universität in Brest, an der sich der neue Rektor befindet. https://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Technische_Universität_Brest).

Rückzahlung von Studiengebühren für unliebsame Studenten

Es gibt so ein Problem: Diejenigen, die auf Kosten des Etats kostenlos studiert haben, müssen dem Staatshaushalt, d.h. den aus den Steuergeldern der Belarussen stammenden Mittel, für die „freie“ Bildung zurück erstatten (laut Verfassung ist die Bildung kostenlos, aber auf wettbewerbsfähiger Basis). Dies sind ungefähr 850 € für jedes Studienjahr, plus Stipendien (ungefähr 35 € pro Monat, abhängig von der akademischen Leistung, möglicherweise weniger), d.h. 850-1300 € für jedes Jahr, plus geringe Zinsen (möglicherweise 5-10% pro Jahr) zum Refinanzierungssatz für „Verwendung der Mittel anderer Menschen “. Diejenigen, die kostenlos studieren, müssen im Anschluss als Rückerstattung für die „kostenlose“ Ausbildung jeweils 2 Jahre arbeiten (in einer Reihe von Fachgebieten wie Militär, Agrar, Ärzte – bis zu 5 Jahre).

Gut, dass es die freien Studienplätze hauptsächlich in nicht angesehenen Fachgebieten gibt, und von nur 30% aller Studierenden in Anspruch genommen werden, 70% studieren auf eigene Kosten, sie müssen nichts zurückzahlen. Auch hat man früher bei uns 5 Jahre studiert, seit 10 Jahren hauptsächlich 4 Jahre, wobei die Diplome dieselben geblieben sind. Geradezu ein Schnäppchen: Nimm 5 und zahl nur 4!

Die exmatrikulierten jungen Studenten werden zur Armee geschickt: Da es nur wenige Rekruten gibt, wurde die Liste der Krankheiten für die Untauglichkeit vor sieben Jahren erheblich gekürzt. Sie nehmen sowohl Brillenträger als auch Herzkranke. 12 Monate Wehrdienst mit Hochschulabschluss, 18 Monate ohne.

Foto: Michael Leh

Wie können Sie den Studenten helfen?

Bitte informieren Sie ihre Politiker in Deutschland EU, nehmen sie jetzt aus politischen Gründen exmatrikulierte belarussische Studenten an ihren Universitäten auf, helfen sie ihnen die verbleibenden Studienjahre zu bezahlen und vergeben sie Stipendien, damit die jungen Menschen ihr Studium beenden können. Falls erforderlich, fördern Sie ein Sprachvorbereitungsjahr. Schon viele Weißrussen studieren in Polen, Litauen und der Tschechischen Republik. Weiten Sie diese Idee auf EU-Ebene aus, auch andere EU-Länder können. Die Abgeordneten sollten hier bürokratische Hürden erleichtern (Visa, Zulassung) und helfen, dass die europäischen Universitäten das bisherige Studium in verwandten oder ähnlichen Fachgebieten übernommen werden kann.

Und eine weitere einfache Unterstützungsmöglichkeit gegen belarussische Polizeigewalt

Auf folgendem Link, kann man die belarussische Sonderpolizei, die mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen ist, verurteilen:https://www.change.org/p/angela-merkel-cdu-helfen-sie-die-polizei-sondereinheiten-in-belarus-auf-die-liste-terroristischer-organisationen-zu-setzen

Über diese Online-Petition  sollte man zudem interessierte Politiker informieren. Wir müssen uns bewegen.

Wir brauchen internationalen Druck, ausländische politische Gefangene in Belarus

 Zum Beispiel rief US-Außenminister Michael Pompeo am vergangenen Sonntag Lukaschenka persönlich an, und 24 Stunden später befand sich der im Sommer in Belarus inhaftierte Amerikaner bereits in den USA und war zuvor mehr als drei Monate im Gefängnis. Dies könnte auch der Schweizer Ministerpräsident oder Außenminister mit der Schweizerin Natalie Hersche (Anm. d. Ü: 51jährige schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin, die am 18 September bei den Demonstrationen verhaftet wurde) über die Libereco (schweizerisch-deutsche Menschenrechtsgesellschaft)  schrieb, so versuchen.

Deja vu- Blumen in der Hand 2006

In der Zeitung wurde ein Bericht über die Planung der sechsten all-weißrussischen Volksversammlung (AdÜ: seit 1996 Versammlung aus Volksvertretern verschiedener Bereiche) rot markiert. Ich selbst erinnere mich an die Nachricht von 2006, als Aleksander Kosulin (AdÜ: ehem. Staatsminister, Parteivorsitzender der SPD Belarus, Rektor der staatl. Universität Belarus und Präsidentschaftskandidat 2006)  bei dem Versuch an dieser Versammlung teilzunehmen, niedergeschlagen wurde. (AdÜ: Kosulin wurde am 13. Juli 2006 wegen „Rowdytums“ – führende Teilnahme an einer Demonstration mit Blumen in der Hand- zu 5 Jahren Haft verurteilt, im Februar 2008 trat er in den Hungerstreik um zum Begräbnis seiner Ehefrau zu können,  am 16. August wurde er nach gut 2 Jahren „frühzeitig“ nicht zuletzt durch europäischen Druck, freigelassen)

Und auch hier können Sie handeln!

Schreiben Sie auf Deutsch an die deutsche Botschaft in Minsk (https://www.facebook.com/posolstvogermaniiminsk/) in privaten Nachrichten von Ihrem Facebook-Konto, dass sie großartige Leute sind, dass sie Brestskaja Gaseta unterstützen (sie schreibt über Schutow, unterstützt politische Gefangene mit Briefen, abonniert eine Zeitung für sie, obwohl ihre Journalisten selbst verhaftet sind), fügen Sie eine Seite der Zeitung bei, die Ihnen gefallen hat. Sie können ihnen auch eine offizielle E-Mail von der IGFM senden. Die Botschaft hat hier schon mehrmals Berichte über Deutschland veröffentlicht.

Deutsche kalte Platte und warme Hände

Meist geht es um Kulturelles, die Bräuche der Deutschen, doch warum nicht auch auf den Punkt kommen und aus deutscher Sicht über die Wahlen berichten? Früher gab es diese Berichte einmal im Monat, seit August sind sie fast in jeder Ausgabe. Früher haben sie beispielsweise darüber berichtet, dass man in Deutschland Besuche in der Regel schon eine Woche vorher ankündigt oder die Gastgeberin jedem Gast je eine Wurst, je ein Keks – so ungefähr in Stückzahl nach Anzahl der Gäste – serviert. So etwas. In Brest gab es eine private Zeitung „Brest Courier“ mit einer hundertjährigen Geschichte, die 2018 wegen finanzieller Probleme geschlossen wurde. Wir müssen die Brestkaja Gaseta unterstützen! Staatliche Propagandamedien erhalten Geld aus dem Haushalt, d.h. von Steuergeldern der Weißrussen. Wer hilft den privaten Medien?

Alt gegen neu

Was steht noch drin? Streiks. In der Zeitung rot hervorgehoben, könnte auch mich treffen. In Minsk versammelten sich am Montag, dem 26. Oktober, im Hi-Tech-Park 1000 Programmierer zu einem spontanen friedlichen Treffen in der Nähe des Gebäudes. Sie wurden auseinandergeschlagen, einer von ihnen brach sich das Bein. Dann versammelten sie sich wieder, ungefähr 300 Menschen. Tatsache ist, dass Programmierer das Gold der Nation sind. High-Tech Park-Programmierer erhalten mindestens 850 € pro Monat und durchschnittlich 1700 € und somit  tragen sie eine  wertvolle Fremdwährung ins Land. Programmierer, Bergleute und Ölarbeiter stellen das Haupteinkommen für Belarus dar, da andere Wirtschaftsbereiche entweder zerstört oder unrentabel sind. Ich schrieb, dass es in Belarus sehr kleine Gehälter und Renten gibt (das Durchschnittsgehalt beträgt 150 Euro pro Monat – 200 Euro gelten als gutes Gehalt), die Standardrente beträgt 100 Euro pro Monat).

Über 50 UN-Länder gemeinsam für die Menschenrechte Belarus!

Nicht zuletzt möchte ich noch die jüngste Erklärung zur Menschenrechtssituation in Belarus hinzuzufügen:

https://by.usembassy.gov/joint-statement-on-the-human-rights-situation-in-belarus/ (Englisch)

https://by.usembassy.gov/be/сумесная-заява-аб-сітуацыі-з-правамі-ч (Weißrussisch und Russisch unten)

Die Erklärung wurde von den USA, Deutschland und 50 weiteren Ländern sowie der EU unterzeichnet. Nicht unterzeichnet wurde sie  von Russland, China, Kuba, Venezuela, dem Iran, der Türkei, Nordkorea usw., also von „weniger demokratischen“ Ländern.

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