Am 19. Februar fand in Berlin die Großveranstaltung Cafe Kyiv statt.

Auf dem Programm standen zahlreiche ukrainische und internationale Nichtregierungsorganisationen, interessante Workshops, ernsthafte Diskussionen, Ausstellungen, Installationen, ukrainische Küche und die Vorführung des kürzlich erschienenen Dokumentarfilms des ukrainischen Regisseurs Mstyslaw Tschernow „20 Tage in Mariupol“. Rund 5.000 Besucher kamen an diesem Tag. Der Andrang war so groß, dass viele bis zu einer Stunde anstehen mussten, um eingelassen zu werden.

 

Besucher des Cafe Kyiv 2024 in Berlin am 19. Februar 2024. Foto: Michael Leh

Außerdem wurde das Cafe Kyiv von prominenten Persönlichkeiten wie dem Berliner Bürgermeister Kai Wagner, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland Oleksiy Makeev, dem Boxer Volodymyr Klitschko, dem deutschen Modestylisten Frank Peter Wilde und anderen besucht. Eine weitere unerwartete Überraschung für die Gäste der Veranstaltung war der Besuch der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen. In ihrer Rede betonte sie nachdrücklich: „Die Ukraine kämpft für uns. Das dürfen wir nie vergessen. …. Putin darf diesen Krieg niemals gewinnen“.

Wolodymyr Klitschko. Foto: Michael Leh

Im Cafe Kyiv war auch die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) vertreten. Gemeinsam mit anderen ukrainischen und internationalen Organisationen informierten wir die Gäste über unsere Aktivitäten in der Ukraine, knüpften Kontakte zu Kollegen und tauschten Erfahrungen aus.

Die Aktivitäten der IGFM in der Ukraine sind sehr vielfältig. Bereits in den ersten Tagen des Krieges begann unser IGFM-Informationsanalysezentrum (IAC ISHR) unter der Leitung des Anwalts Anton Alekseev mit der humanitären Hilfe für die Opfer. Die Spenden der deutschen Sektion haben es unserer ukrainischen Sektion ermöglicht, humanitäre Soforthilfe für die Opfer in der Ukraine zu leisten. So verteilt das IAC ISHR seit März 2022 Lebensmittel und andere Hilfsgüter (wie Medikamente, Windeln und andere Hygieneartikel) an Binnenflüchtlinge und Menschen, die in den vom Krieg betroffenen Gebieten in verschiedenen Regionen der Ukraine (Kyjiw, Poltawa, Schytomyr, Iwano-Frankiwsk, Riwne, Sumy, Lwiw, Charkiw, Saporischschja, Winnyzja, Dnipropetrowsk, Tscherkassy) zurückgeblieben sind. Unser Hauptaugenmerk liegt auf schwangeren Frauen, Kleinkindern und ihren Familien, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen. Das IAC ISHR leistet auch gezielte Hilfe für Bedürftige und/oder spezialisierte Einrichtungen (Waisenhäuser, Entbindungsheime etc.). Allein im März 2022 leistete das IAC ISHR 774 Menschen verschiedene Arten von humanitärer Hilfe. Seit dem 1. Juni 2022 ist die IGFM als Partner beim UN-Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) registriert. Von Juni 2022 bis Mai 2023 führte die IGFM gemeinsam mit dem IAC ISHR zwei große humanitäre Projekte der OCHA. Die Projekte wurden in 5 Regionen der Ukraine durchgeführt – Charkiw, Saporischschja, Sumy, Kyjiw und Poltawa. Durch diese Projekte haben wir Tausenden von Ukrainern geholfen.

IGFM-Mitarbeiterin und Vertreter der Europäischen Investitionsbank. Foto: IGFM

Die IGFM beteiligt sich auch an der Übersetzung und Verteilung der Projektmaterialien von „Stimmen des Krieges“ ins Deutsche und Englische, damit möglichst viele Menschen außerhalb der Ukraine wissen, welche Gräueltaten die russische Armee in der Ukraine begangen hat und weiterhin begeht.

Die IGFM befasst sich auch mit der Frage der ukrainischen Zivilgefangenen, die vom russischen Militär in der Ukraine entführt oder festgehalten werden. Der ukrainische Zivilgefangene Kostyantyn Litvinov war der erste Zivilgefangene, über den wir auf unserer Website und in den sozialen Medien berichteten und für den wir in Martina Feldmeier eine politische Patin fanden. Gemeinsam schrieben wir Briefe an die russischen Behörden und forderten seine sofortige Freilassung. Nach Kostyantyns Freilassung aus russischer Gefangenschaft wurde die IGFM von Angehörigen weiterer ukrainischer Zivilgefangener kontaktiert, die sich derzeit entweder in russischer Militärhaft befinden oder vermisst werden.

Die Frau eines ukrainischen Zivilgefangenen besuchte unseren Stand im Cafe Kyiv und war freundlicherweise bereit, uns ein Interview zu geben. Lusiena erzählte uns von ihrem Mann, Kostiantyn Zinovkin, der in der besetzten Stadt Melitopol (Region Saporischschja) vom russischen Militär auf offener Straße entführt worden war. Am Morgen des 12. Mai 2023 verließ Kostiantyn das Haus und kehrte nicht mehr zurück. Anstatt ihm kamen drei Unbekannte mit Sturmhauben und öffneten mit Kostiantyns Schlüssel die Wohnungstür. Seine Mutter war zu diesem Zeitpunkt zuhause. Die Unbekannten teilten ihr mit, dass Kostiantyn wegen „Verletzung der Ausgangssperre“  verhaftet und auf die Militärkommandantur gebracht worden sei. Sie führten eine nicht genehmigte Hausdurchsuchung durch und nahmen alles Geld mit, das sie finden konnten. Am 14. August 2023 teilte die Staatsanwaltschaft Melitopol Lusienna mit, dass gegen ihren Ehemann ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Am 29. Oktober 2023 wurde Kostiantyn im russischen Fernsehen auf dem Kanal Russia 1 in den Nachrichten gezeigt. In dem Videoclip bezeichnet der Journalist Kostiantyn als Terroristen und kranken Menschen, weil er behauptet, die Ukraine sei unabhängig und Russland sei ein terroristisches Land. Am 25. Januar 2024 wurde Kostiantyn zu einer Anhörung nach Melitopol gebracht, aber seine Familie weiß nichts über das Ergebnis. Jetzt sind das Schicksal und der Verbleib von Kostiantyn unbekannt.

Zwei IGFM-Mitarbeiter und die Ehefrau des verschleppten ukrainischen Zivilisten Kostiantyn Zinovkin (rechts). Foto: Michael Leh

Dennoch ist Lusiena zuversichtlich: Sie wird ihren Mann auf jeden Fall wiedersehen. „Ich möchte daran glauben und darauf vertrauen, dass er am Ende freigelassen wird. Ich werde alles tun, um ihn zu befreien. Ich habe mir gesagt: Ich werde ihn auf jeden Fall noch in diesem Jahr wiedersehen“.

Lusiena erzählte ihre Geschichte mit Tränen in den Augen. Sie war sehr tapfer, aber man merkte ihr an, wie sehr es sie schmerzte, dies immer wieder zu erleben.

Die Geschichte von Lusiena und Kostiantyn ist eine von Millionen. Das erleben die Ukrainer nicht erst seit 2022, sondern schon seit 2014. Zehn Jahre Kriegsverbrechen. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die Welt dies nicht vergessen zu lassen.

Das Cafe Kyiv hat wieder einmal bewiesen: Egal wie sehr Putin und seine Anhänger die Ukraine zerstören wollen, es wird ihnen nicht gelingen. Es ist unmöglich, diejenigen zu vernichten, die für ihre Freiheit kämpfen. Und deshalb werden wir die Worte des großen ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko nie vergessen:

„Ringet, kämpfet, Gott wird helfen

Euch durch dunkle Nacht,

Habt Willenskraft: der Wahrheit Morgenrot erwacht.“

Quelle: igfm.de