Wladimir Osetschkin von Gulagu.Net:

Tapfere und erschütternde Aussagen zum Umgang mit ukrainischen Kriegsgefangenen auf russischem Gebiet.

Folter – Nürnberger Tribunal – Zurschaustellung am 9. Mai an der Siegesparade auf dem Roten Platz?

Über eine halbe Stunde berichtet der exilrussische Betreiber der Online-Plattform „Gulagu.net“ (Nein zum Gulag-System aus Sowjetzeiten), Wladimir Osetschkin, über den Umgang mit ukrainischen Kriegsgefangen in Russland, – doch es kommt einem noch viel länger vor, so oft stockt der Atem beim Zuhören.

Osetschkin berichtet über die zahlreichen massiven Verlagerungen innerhalb der ohnehin völlig überfüllten russischen Strafvollzugsanstalten, in denen nun Platz geschaffen werde für ukrainische Kriegsgefangene.

Es gäbe so viele Eingaben, Hinweise und Informationen dazu, dass sein Team die Arbeit gar nicht bewältigen könne.

Zahlreiche Berichte von Folter und Gefangennahme nicht nur von Militärangehörigen, sondern auch Tausenden Zivilisten.

Konkret benennt er das aktuelle Beispiel des 31jährigen Nikita Gorban, einem medizinischen Laboranten aus Kiew. Dieser habe in einer Kursker Haftanstalt tagelang bei hohen Minustemperaturen auf dem blanken Boden schlafen müssen, auf den Boden habe man Wasser gespritzt und in seine Stiefel Wasser gefüllt, so alles vereist. Nach Wochen habe man in eine Krankeneinrichtung nach Simferopol für den Gefangenaustausch gebracht, da waren schon alle Zehen abgefroren, ein Zeh fiel direkt ab. Alle andere mussten amputiert werden.

Die ukrainischen Kriegsgefangenen hätten keinerlei Rechte, niemand darf sie besuchen, kein Rechtsanwalt, kein Menschenrechtsbeauftragter, kein Journalist. Weder die Angehörigen, noch der ukrainische Staat erhalte Informationen über deren Verbleib.

Im Gegenteil, die russische Generalstaatsanwaltschaft mit ihrem Oberen Generalstaatsanwalt Igor Krasnow, sei von Putin dazu angehalten ein Anti-Tribunal (zu dem geplanten Kriegsverbrechertribunal des Westens) nach Art der „Nürnberger Prozesse“ für die ukrainischen Kriegsgefangenen einzurichten.

Auch, so Osetschkin, kursierten derzeit glaubwürdige Gerüchte, dass die russische Regierung plane, jetzt am Montag, den 9. März, ukrainische Kriegsgefangene innerhalb der großen Siegesparade auf dem Roten Platz „zur Schau zu stellen“.

Wladimir Osetschkin über ukrainische Kriegsgefangene im russischen Strafvollzugssystem. Link zu Original Video siehe weiter unten

Wladimir Osetschkin ist Gründer und Betreiber der russischsprachigen Online Plattform Gulagu.net, die sich in den zehn Jahren ihrer Existenz als führende Internetquelle für Informationen zu Rechtsverletzungen im Strafvollzugswesen Russlands etabliert hat. Mehr als 7.500.000 Menschen haben Gulagu.net mehr als 20.500.000 Mal besucht und mehr als 43.000.000 Seiten gelesen (Stand: 01.11.2021). Osetschkin lebt seit 7 Jahren im Exil in Frankreich und wird von den russischen Strafbehörden verfolgt. Seine Website wurde in Russland im Sommer letzten Jahres gesperrt.

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Im Folgenden Ausschnitte aus der neuen Rubrik von gulag.net zu ukrainischen Kriegsgefangenen in Russland. Übersetzung IGFM.

In Russland werden auf der Grundlage der Einrichtungen des Föderalen Strafvollzugsdienstes Lager für Kriegsgefangene eingerichtet. In dieser Rubrik werden wir nach und nach Daten über Internierungslager für ukrainische Kriegsgefangene veröffentlichen, die russische Sonderdienste unter eklatanter Verletzung der Menschenrechte illegal in den Gebäuden der russischen Strafvollzugsanstalten eingerichtet haben. Bei der Umfunktionierung von Gefängnissen werden russische Gefangene zusammengepfercht und überbelegt und unter bewusst unmenschlichen Bedingungen untergebracht, ohne dass ihnen individuelle Schlafräume zur Verfügung stehen.

Lager für Kriegsgefangene auf russischem Gebiet

Auf dem Foto: SIZO (Untersuchungshaftanstalt)-2 Taganrog (GUFSIN -Hauptdirektion des Bundesgefängnisdienstes) in der Region Rostow. An den Toren stehen nun ständig Fahrzeuge der FSBNG (Föderaler Dienst der Nationalgardetruppen der Russischen Föderation/Rosgvardia) und des russischen Verteidigungsministeriums, die Kriegsgefangene in dieses nunmehrige Internierunsglager bringen.

Nach Angaben des Moskauer OC (Öffentliche Überwachungskommission (POC) für den Schutz der Menschenrechte in Haftanstalten), (die Gulagu.net vorliegen) sind selbst die Untersuchungshaftanstalten des Moskauer Föderalen Strafvollzugsdienstes zu mehr als 20 % überbelegt, und in einer Reihe von Zellen der Untersuchungshaftanstalt Nr. 5 werden 15 Personen in einer Zelle mit 10 Betten registriert.

02.05.2022 Untersuchungshaftanstalt Nr. 2 des Föderalen Strafvollzugsdienstes im Gebiet Wolgograd (Kamyshin)

01.05.22 Untersuchungshaftanstalt Nr. 1 des Föderalen Strafvollzugsdienstes in der Region Kursk

24.04.22: „Die Gefangenen wurden von weiterletenden Einrichtungen/PFRSI 1 des Föderalen Strafvollzugsdienstes in der Region Tula (Siedlung Komsomolskiy) nach PFRSI-4 (Novomoskovsk) gebracht. Die PFRSI verlegte etwa 100 Kriegsgefangene. Vor der Verlegung der Kriegsgefangenen instruierten die russischen FSB-Offiziere das Personal der Strafkolonie Nr. 1. In der Kolonie selbst wurden alle längeren Besuche abgesagt, und Beamte des Föderalen Sicherheitsdienstes wurden vorübergehend in den Wachdienst -Block stationiert“.

 

23.04.22: „Hallo.

Ich lebe in Taganrog, das SIZO (Untersuchungshaftgefängnis)-2 von Taganrog ist ebenfalls von ukrainischen Kriegsgefangenen besetzt. Ich füge ein Foto bei. Solche Autos (mit Z-Swastika/“Hakenkreuz“) sind ständig in der Nähe der Untersuchungshaftanstalt geparkt“.

23.04.22: „Kriegsgefangene der ukrainischen Streitkräfte werden in den Kolonien des staatlichen russischen Strafvollzugsdienstes in der Region Rostow festgehalten. Zu diesem Zweck wurden gleich zwei Strafvollzugsanstalten im Süden Russlands eingerichtet. Dabei handelt es sich um die allgemeine Strafkolonie IK-1 in Zverevo und eine ähnliche Kolonie IK-12 in Kamensk-Shakhtinsky, von der bereits im März 2022 mit der Verlegung von Gefangenen nach IK-10 begonnen wurde und in der die Insassen nun gezwungen sind, in drei Schichten zu schlafen. Nun sind IK-1 und IK-12 eigentlich Internierungslager für Kriegsgefangene und werden auf Kosten der auf dem Schlachtfeld gefangenen ukrainischen Soldaten gefüllt. Die Kriegsgefangenen werden von Beamten des Föderalen Strafvollzugsdienstes, des Föderalen Sicherheitsdienstes, des Föderalen Wachdienstes und von Geheimagenten aus den Reihen der aktivistischen Häftlinge überwacht, von denen viele aus Folterlagern und Untersuchungshaftanstalten transportiert wurden. Es hat keine offizielle Umwandlung von Gefängnissen in Kriegsgefangenenlager stattgefunden, wie es die internationale Konvention verlangt.

22.04.22: „Wir wurden angewiesen, SIZO-2 (in Vyazma) des Föderalen Strafvollzugsdienstes im Gebiet Smolensk aufzulösen. Alle Häftlinge, die sich dort aufhielten, wurden bereits in andere Einrichtungen, darunter SIZO-1, verlegt. Das „Vyazemsky-Internierungslager“ wird für die Durchführung von Folterungen und Befragungen von Kriegsgefangenen ausgerüstet. Das Untersuchungsgefängnis und die katastrophale MBP (MBP- Psychiatrische Abteilungen in Untersuchungshaftanstalten), über die ich bereits berichtet habe, wurden ebenfalls für die Aufnahme von Ukrainern ausgerichtet. In der MBP  werden unliebsame Sträflinge (vor allem solche, die viele Beschwerden schreiben) am liebsten mit Haloperedol+Amenazin behandelt, und zwar so lange, bis der Patient keine zwei Worte mehr zusammensetzen kann. Offenbar wollen sie auf diese Weise zum Schweigen bringen.

11.04.22: „In der Untersuchungshaftanstalt 2 des Föderalen Strafvollzugsdienstes im Gebiet Brjansk (Nowosybkow) werden ausschließlich Kriegsgefangene festgehalten. Vor ein paar Jahren wurden dort mehr als 100 Personen festgehalten. Jetzt wahrscheinlich noch mehr. Und tatsächlich wurden, wie ich vermutet hatte, alle anderen Untersuchungshäftlinge in die Untersuchungshaftanstalt Nr. 1 nach Brjansk verlegt.

Wenn Sie Informationen über die Nutzung von Einrichtungen des Föderalen Strafvollzugsdienstes, des Innenministeriums oder des Föderalen Sicherheitsdienstes zur Inhaftierung von Kriegsgefangenen haben, senden Sie uns bitte anonym an gulagunett@gmail.com und fügen Sie den Informationen nach Möglichkeit Beweisfotos bei.

 

Quelle: gulagu.net