Die junge russische Künstlerin und aktive Kriegsgegnerin Sascha Skotschilenko bleibt vorerst in Haft. Ihre Teilnahme an der russlandweiten Aktion die Bevölkerung durch den Austausch von Preisetikettierungen mit kurzen Infos zum Krieg zu informieren, hatte eine breite mediale Resonanz hervorgerufen. Für diese mutige Aktion wurde sie am 13. April vom  Bezirksgericht Vasileostrovskiy für zwei Monate in Untersuchungshaft verbracht. Jetzt verlängerte das Gericht die Inhaftierung der St. Petersburgerin bis zum 1. Juli.

Trotz der nenenswerten Unterstützung aus der Gesellschaft sowie der Eingaben von Anwälten wurde die vorbeugende Maßnahme für die Künstlerin nicht geändert. Die Hauptargumente der Untersuchung: Saschas Worte „destabilisieren die Situation in der Gesellschaft“ und unter Hausarrest könnte sie versuchen, sich im Ausland zu verstecken.

Der Anwalt wird erneut Berufung gegen die Entscheidung des Vasileostrovskiy Gerichts einlegen.

 

Hintergrund IGFM:

Politische Gefangene Russland – Sascha Skotschilenko

Künstlerin

Geboren: 13. September 1990 in Leningrad (St. Petersburg), Russland

Verhaftet: am 11. April 2022

Anklage: „Öffentliche Verbreitung vorsätzlich falscher Informationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation und die Ausübung ihrer Befugnisse durch staatliche Organe der Russischen Föderation“ (Artikel 207.3  StGB RF)

Bisheriges Strafmaß: Untersuchungshaft bis 31. Mai 2022, verlängert am 13. April bis 1. Juli

Voraussichtliches Strafmaß: bis zu 10 Jahre Haft

Bis zu 10 Jahre Haft wegen Antikriegsaktion

Sascha Skotschilenko ist eine junge Künstlerin aus St. Petersburg. Sie studierte Regie an der Theaterakademie und wechselte später zum Studium der Anthropologie an der Fakultät für freie Künste und Wissenschaften der Staatlichen Universität St. Petersburg, welches sie mit Auszeichnung abschloss.

Von 2013 bis 2015 machte sie Reportagen über regionale Kundgebungen und Proteste für das Online-Medienunternehmen „Bumaga“.

Im Jahr 2014 veröffentlichte sie ihr beeindruckendes Comic- Zeichenwerk „Buch über Depression“.

Skotschilenko erstellte ebenso Filmbeiträge für die feministische Organisation „Rebra Evi“. Freunde beschreiben sie als  „sehr intelligent, talentiert und belesen“.

Inhaftierung und Prozess

Skotschilenko hatte Ende März 2022 an einer russlandweiten Protestaktion teilgenommen, an der die Warenbezeichnungen auf den Preisschildern in Supermärkten mit Antikriegskommentaren ausgewechselt wurden. Hier hatte sie am 31. März 2022 in dem St. Petersburger „Perekrestok“ -Supermarkt solche Antikriegs- Preisschilder positioniert.

Am 11. April 2022 wurde sie in der Wohnung ihres Freundes verhaftet.

Ihr Anwalt Dmitrij Gerasimow erklärte, dass Sascha vor diesem Hintergrund wegen „Falschinformationen über die russische Armee“ angeklagt wurde.

Sascha Skotschilenko wurde gemäß Artikel 207.3 Absatz 2 StGB RF angeklagt, nach diesem Artikel kann ihr ein Strafmaß von bis zu 10 Jahren drohen.

Die Ermittlungen unterstellen ihr, die Tat „aus politischem Hass“ heraus begangen zu haben. So habe Skotschilenko auch Flugblätter gegen den Krieg verteilt und zuvor Antikriegsposter gezeichnet sowie sich von Anfang an gegen den Krieg in der Ukraine ausgesprochen.

Am 13. April 2022 fand eine Anhörung vor dem Bezirksgericht Vasileostorwskij statt. Die Richterin Elena Leonowa stellte sich auf die Seite der Staatsanwaltschaft und untersagte auch das Filmen im Gerichtssaal. Der Prozess dauerte etwa fünf Stunden hinter verschlossenen Türen.

Die Richterin begründete die Verhaftung von Sascha unter anderem damit, dass sie „beschuldigt wird, eine schwere Tat gegen die öffentliche Sicherheit begangen zu haben“, und dass sie „eine Schwester in Frankreich“ und  „Freunde in der Ukraine“ habe.

Die Richterin hob besonders die Tatsache hervor, dass Skotschilenko „Bekannten in der Ukraine besucht habe“.

Wenngleich ein Freund von Skotschilenko aussagte, dass sie 2020 in einem Kinderferienlager der Ukraine gearbeitet habe.

Auch Krankheitsbescheinigungen seitens des Anwalts ließ die Richterin Elena Leonowa nicht gelten, diese könnten „nicht berücksichtigt werden, da die Quelle der Informationen nicht genannt werde“.

Die Richterin Elena Leonowa ordnete eine Inhaftierung von Sascha Skotschilenko im St. Petersburger Untersuchungshaftgefängnis Nr.5 bis einschließlich 31. Mai an. Die Menschen im Gerichtssaal reagierten sehr bestürzt und mit „Schande!“ Rufen.

„Der Krieg wird ein Ende nehmen sein und ich werde amnestiert“. Dies waren die letzten Worte von Sascha Skotschilenko, bevor der Vollzugsbeamtesie aus dem Gerichtssaal führte.

Reaktion auf Urteil

Die Abgeordneten der St. Petersburger Stadtverordnetenversammlung Boris Wischnewskij und Michail Amosow, der Kommunalabgeordnete Sergej Troschin und der Politiker Lew Schlosberg bürgten für Sascha Skotschilenko. Kirill Artemenko, Generaldirektor des Online-Medienunternehmens „Bumaga“, für das Skotschilenko tätig war, legte dem Gericht ebenfalls ein positives Arbeitszeugnis für Skotschilenko vor.

Der Fall Skotschilenko ist in den russischsprachigen Social Media sowie in den noch wenigen verbliebenen unabhängigen Medien breit vertreten.

Krankheit

Sascha Skotschilenko leidet an einer schweren Autoimmunerkrankung in Verbindung mit Glutenunverträglichkeit. Ihre Anwälte benötigten einen vollen Monat bis ihre Hafternährung den medizinischen Mindestanforderungen entsprechend umgestellt wurde.

 

Quellen:

severreal.org, mr-7.ru

IGFM

Fotos:

Sascha Skotschilenko / Instagram

Warenetikettierungen/ IGFM

 

 

2.06.2022