Menschenrechtsarbeit für junge Erwachsene aus Ländern der Östlichen Partnerschaft

Ein Bericht von Dr. Carmen Krusch-Grün, Leiterin des Osteuropa-Referats der IGFM-Deutschland

10. Dezember 2015, Internationaler Tag für Menschenrechte: Das Jugendforum für Menschenrechte aus sechs Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland vor der Alten Oper in Frankfurt am Main.

„Meine Zeit ist mein Leben, wenn ich jemandem einen Teil meiner Zeit schenke, schenke ich ihm einen Teil meines Lebens.“

Liebe Kollegen, Freunde und Interessierte,

Wir hatten Euch in diesem Jahr schon über unser Projekt „Solidarisierung und Motivierung der Jugendlichen aller Länder der Östlichen Partnerschaft und Russland unter besonderer Berücksichtigung der Menschenrechte“ informiert.

Ein Projekt, das vom Deutschen Auswärtigen Amt unterstützt wurde, erstmal sehr theoretisch klingt und in diesem Jahr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Hier ein kleiner Bericht über die Umsetzung in die Praxis und die Bedeutung von persönlichen menschlichen Begegnungen in der Menschenrechtsarbeit.

Die IGFM hat aufgrund ihrer Gründungsgeschichte eigenständige Sektionen in allen Ländern der Östlichen Partnerschaft (ÖP) sowie in Russland. Heute insgesamt in 37 Ländern der Welt. Die Sektionen der sechs ÖP-Länder und Russlands wählten für dieses Projekt jeweils drei gesellschaftspolitisch oder sozial engagierte Jugendliche bzw. junge Erwachsene aus.

Gruppenfoto der Teilnehmer während des Eröffnungsseminars in Kiew

Diese jungen Menschen haben wir im September 2015 in einem ersten Workshop in Kiew zusammengeführt, sich kennenlernen und miteinander diskutieren lassen. Begleitet wurden sie dabei von Sektionsleitern der IGFM und Menschenrechtlern anderer NGOs. Mit Unterstützung der European Investment Bank wurden alle Teilnehmer mit einem Laptop ausgestattet, die wir ohne die Hilfe des Transportunternehmens Rhenus Revival beinahe nicht in die Ukraine hätten bringen können. Mit dieser technischen Unterstützung wurde eine gemeinsame Facebook-Seite ins Leben gerufen. Auf der abschließenden Pressekonferenz in Kiew, auf der die Jugendlichen ihre ersten Eindrücke des Projekts vermittelten, überraschten und überzeugten sie schon mit ihrer jugendlichen Kraft und Offenheit, mit ihrem Willen sich gemeinsam für friedliche Lösungen, für die Menschenrechte in ihrer konfliktgeladenen Region einzusetzen!

Pressekonferenz in Kiew (v.l.n.r. Artjom, Belarus; Swetlana, Russland; Nikolaj, Moldau; Lilit, Armenien; Dr. Carmen Krusch-Grün, Deutschland; Salome, Georgien; Anastasija, Ukraine; Pervin, Aserbaidschan)

Der zweite Workshop fand im November in Minsk statt, hier wurden vorwiegend ethnische und territoriale Konflikte der einzelnen Länder an Fallbeispielen der Jugendlichen besprochen. Nikolaj berichtete von Transnistrien, seiner Heimat, in die er nicht mehr zurück kann und seinem Leben in einem Flüchtlingsheim in Chisinau. Die Georgierin Salome berichtete von der Flucht ihrer Eltern aus Abchasien, sie schloss ihren Bericht unter Tränen ab und wurde von allen anderen Teilnehmern getröstet. Auch bei der Berichterstattung über die Lage in der Ukraine spürte man die direkte Betroffenheit aller Teilnehmer. Das Thema Berg-Karabach jedoch ist eine tiefe offene Wunde und manchmal ist es besser die Diskussion wieder auf gemeinsame Ziele umzuleiten, so wie es die erfahrenen IGFM-Sektionsleiter, die die Jugendlichen in Minsk begleitet hatten, auch taten.

Workshop im modernen Jugendzentrum Balki in Minsk

Eine abschließende Pressekonferenz in Minsk konnte leider nicht angemeldet werden, da sich niemand auf staatlicher Seite bereiterklärte, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dennoch konnte sich die Gruppe frei in Minsk bewegen und es herrschte eine schon vertraute freundschaftliche Atmosphäre.

IGFM-Blaumützen vor weißrussischem rot-grün in Minsk

Jetzt im Dezember traf das neue Jugendforum in der Geschäftsstelle der IGFM in Frankfurt am Main zusammen. In Frankfurt ging es um die verschiedenen Möglichkeiten in der Menschenrechtsarbeit. Mitarbeiter aus der IGFM-Geschäftsstelle berichteten über ihre Arbeitsbereiche. Die Arbeit mit Jugendgruppen, im Internet, an den Informationsständen, in der Humanitären Hilfe, länderbezogen am Beispiel Afrika und vieles mehr. Besondere Highlights waren die Referenten aus der großen Politik, die ihre Zeit für die jungen und alten Menschenrechtler gegeben haben. So die Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner, Michael Brand, Tom Koenigs und der hessische Staatssekretär Mark Weinmeister. Mit ihrem persönlichen Kommen und ihren mitreißenden Beiträgen gaben sie ein Stück ihrer Zeit, ein Stück ihres Lebens. Das, was die Menschenrechtsarbeit ausmacht. Diesen wichtigen persönlichen Beitrag haben die Teilnehmer gefühlt und dies hat sie in ihrem Engagement gestärkt.

Jugendforum in der Frankfurter Geschäftsstelle der IGFM mit Tabea Rößner, MdB und Mark Weinmeister, hessischer Staatssekretär für Europaangelegenheiten
Michael Brand, Vorsitzender des Ausschusses für Mensch- enrechte und Humanitäre Hilfe, während seines Vortrages
Tom Koenigs, Sprecher für Menschenrechtspolitik, begeisterte die jungen Teilnehmer
Abschließende Presse- konferenz des Jugendforums unter Mitwirkung von Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, Präsident der ISHR

Zum Abschluss ein lebendiges Beispiel aus dem Jugendforum: Es kommt von einem jungen Moldauer, Dimitrij Grebenko. Er kam in Kiew mehrmals auf mich zu, sagte, er befürchte, er sei hier nicht richtig, in diesem Projekt. Von dem, was ich beispielsweise mit unserer Sektionsleiterin aus Aserbaidschan (Dr. Saadat Benanyarli, Berichterstatterin für die Europäische Versammlung) besprochen habe, habe er kein Wort verstanden, er kenne auch all die Namen, die gefallen seien, nicht. Möglicherweise habe man ihn falsch ausgewählt.

Dimitrij kommt aus Moldau, ein Land, das in große Armut gestürzt ist, in dem ein Großteil der Bevölkerung gezwungen ist — oft unter unwürdigen Bedingungen -, seinen Lebensunterhalt im Ausland zu verdienen. Auch Frauen und Mütter sind darunter. Schon eine ganze Generation musste daher ohne Eltern heranwachsen. Ich wusste, dass Dimitrij Fußball mit solchen elternlosen Kindern spielt, ihr Ansprechpartner, ihr Seelsorger ist. Dass er ihnen einen Teil seiner Zeit, ein Teil seines Lebens schenkt. Und ich antwortete ihm: „Nein, das ist kein Fehler, du bist hier genau richtig!“

Hier sein Brief an uns, nach Abschluss des Seminars in Frankfurt, nach seiner Rückkehr nach Moldau: „Hallo Ihr Lieben, die Ihr mir so nahe geworden seid. Ich möchte mich noch einmal bei Euch für die Zeit bedanken, die ich niemals vergessen werde; für die Emotionen und Eindrücke, die sich unauslöschlich in meiner Erinnerung festgesetzt haben; für die großen Anstrengungen zur Durchführung dieses inspirierenden Projekts; für die Bekanntschaft, die, so glaube ich, gute Ergebnisse haben wird. Das schreibe ich aufrichtig und ehrlich, aus tiefstem Herzen. Nicht viele erhalten eine solche Möglichkeit in ihrem Leben, daher kann man das nicht genug schätzen, was Sie für uns und persönlich für mich getan haben. Ich möchte Ihnen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten danken. Deshalb, wenn ich irgendetwas tun kann, mich irgendwie nützlich machen kann, ich bin der Eurige. Noch einmal Danke. Auf ein Wiedersehen!!!“

Ein Foto mit besonderem Charakter: aserbaidschanische und armenische Teilnehmer gemeinsam für Menschenrechte

Weitere Eindrücke zu dem Projekt und der Menschenrechtsarbeit in den Ländern der Östlichen Partnerschaft
Besuche die Facebookseite des Jugendforums: www.facebook.com/ishr.youth
(die schon drei Monate nach ihrer Eröffnung im September 2015 eine Reichweite von 20.000 Personen aus der Gesamtregion erlangt hat)

Der Jugendforum erscheint auch in der IGFM-Dokumentation:  «Menschenrechte in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion» (auch in Englisch verfügbar).

Noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön an alle großen und kleinen Helfer:

das Deutsche Auswärtige Amt, die Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner, Michael Brand und Tom Koenigs, den hessischen Staatssekretär Mark Weinmeister, Martina Feldmayer, MdL, Hessen; Regula Spalinger, G2W, Schweiz; Boris Glasunow, Direktor der Gedenkstätte Babij Jar in Kiew; Anton Aleksejew, Projektassistent, Kiew; Dimitrij Rahr, Dolmetscher; Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, Präsident des Internationales Rates der International Society For Human Rights/ISHR sowie dessen Generalsekretär, Prof. Marat Zachidow; die European Investment Bank, Luxemburg; das Transportunternehmen Rhenus Revival, insbesondere Frau Dorenskaja, traffiQ Frankfurt, Marion Peterwitz.